Was bedeutet es, mitfühlend mit sich selbst zu sein?
Wie gehen wir normalerweise mit uns selbst um, wenn wir Probleme haben in Beziehungen, bei der Arbeit, gesundheitliche Probleme oder wenn überhaupt Dinge in unserem Leben schief gehen? Mit welchen Worten, in welchem Ton sprechen wir dann innerlich mit uns selbst?
Viele Menschen reagieren mit Ärger und Selbstvorwürfen und Selbstverurteilung, was uns innerlich nur noch weiter runterzieht. Wir vergrößern dadurch unsere Sorgen, unseren Stress und unser inneres Leiden, was uns auf Dauer in die Depression führen kann.
Wie wäre es, wenn wir uns in einer solchen Situation selbst akzeptieren, uns fürsorglich zuwenden und selbst trösten würden?
Das ist Selbstmitgefühl.
Oft behandeln wir uns schlecht, wenn wir leiden
Wenn ein geliebter Mensch, unser Partner oder unser Kind dasselbe Problem hätte, wie würden wir mit diesem Menschen umgehen? Wären wir genauso vorwurfsvoll und verurteilend, wie mit uns selbst?
Wahrscheinlich nicht. Vielen Menschen geht es ähnlich. Warum behandeln wir uns selbst oft so schlecht, wenn wir leiden?
Einer der Gründe ist, dass wir uns bedroht fühlen. Unsere Reaktion auf äußere Bedrohung ist normalerweise zu kämpfen, zu fliehen oder uns tot zu stellen.
Wenn die Bedrohung jedoch von innen kommt, richten wir dieses Reaktionsmuster gegen uns selbst. An die Stelle von Kämpfen tritt dann Selbst-kritik, anstelle der Flucht tritt die Selbstisolation, wir lenken uns ab, sei es durch Arbeit oder durch Suchtmittel und anstelle von „sich tot stellen“ tritt Grübelei, wir ziehen uns in den Kopf zurück und kreisen um unsere eigenen Gedanken.
Diese ca. 2 Millionen Jahre alte Überlebensstrategie unseres Gehirns zum Umgang mit äußeren Gefahren ist jedoch für den Umgang mit inneren Herausforderungen wenig geeignet. Wir verschlimmern dadurch häufig nur unser Leiden, was zu mehr Stress, Angst, Erschöpfung und Depression führen kann.
Aufhören, gegen sich selbst zu kämpfen
Wenn wir stattdessen für einen Moment aufhören gegen uns selbst zu kämpfen, sondern uns so annehmen, wie wir sind mit all unseren Stärken und Schwächen und uns inmitten unserer Schwierigkeiten mitfühlend begegnen, verbinden wir uns mit unserem angeborenen Wunsch, glücklich und frei von Leiden zu sein.
Dies motiviert unsere fürsorglichen Motive, die wir ebenso im Laufe der Evolution erworben haben. Wir wenden uns selbst liebevoll und mitfühlend zu und schenken uns selbst die Freundlichkeit, die wir einem geliebten Menschen zukommen ließen.
Selbstmitgefühl wird manchmal missverstanden.
Es ist kein Selbstmitleid, wenn wir uns mitfühlend unserem Schmerz zuwenden, dann bedeutet das nicht in ihm zu schwelgen, sondern sich aus der Verstrickung mit ihm zu lösen. Es ist nicht egoistisch, sondern der erste Schritt zu mehr Mitgefühl mit anderen. Wir entwickeln eine Grundlage auf der Mitgefühl kultiviert werden kann, indem wir die Fähigkeit entwickeln uns mit unseren eigenen Gefühlen zu verbinden und für unser Wohlergehen zu sorgen.
Selbstmitgefühl ist eine mutige Haltung, wir reden uns auch nichts schön, wir werden offener für unseren eigenen Schmerz und weichen ihm nicht aus. Selbstmitgefühl erschöpft uns nicht, denn wir können unsere Erfahrung mehr zulassen, anstatt sie zu bekämpfen und sind auch nicht länger vor ihr auf der Flucht. Selbstmitgefühl ist auch nicht unnatürlich, da alle Lebewesen mit dem Wunsch geboren sind, glücklich und frei von Leiden zu sein.